Irgendwie bin ich ja heuer total auf Bikepacking-Geschichten fixiert. Andere Länder sehen, neue Leute kennenlernen, bergauf und bergab durch Wald und Wiese gurken. Auf „Forst-Autobahnen“, Single-Trails, Wald-, Wiesen- und Schotterwegen und (meistens wenig) auf asphaltierten Strassen. Aber immer irgendwo in der Pampa bzw. dünn besiedeltem Gebiet. Durch kleine Dörfer, Siedlungen, Nationalparke… Schauen, fahren, schieben, fluchen, fahren, schauen, freuen. Oft draußen schlafen, oft nur essen was der Minimarkt hergibt…
Nach dem Tuscany-Trail und dem Bikepacking Franconia folgte nun der 3. Streich: 5 Peaks 500 – knapp 600 km und 8.700 hm durch Ungarn.
16.08. – Tag 0:
Ich fahre mit dem Zug nach Budapest, lasse mich von meinem Wahoo zum Check-In lotsen, fasse mein Startsackerl aus, es gibt Drinks und Snacks. Es wird geplaudert, Räder und Setup einiger anderer Bikepacker werden begutachtet…
Dann mache ich mich auf ins Hostel. Kurze Diskussion mit der Check-In-Lady (im 3. Stock), die meint, mein Rad soll im Hof bleiben (trotz gegenteiliger Mail-Bestätigung). Schlussendlich bleibt mein Rad oben im Vorraum.
Ich hol mir ein Abendessen beim Thai – zum Glück bestelle ich nicht (wie gewöhnlich) „hot“, denn die „Normal“-Version hat eh genug Power.
Dann mehr ein dösen als schlafen, denn das (offene) Fenster im Hostel geht auf eine der Hauptverkehrsstrassen in Budapest – dementsprechend laut ist es.
17.08. – Tag 1:
Um 05:00 Uhr läutet der Wecker. Duschen, anziehen, Flaschen füllen. Im 24-Stunden-ABC Kaffee trinken – heiss und billig. Zum Startplatz rollen. Pünktlich um 06:00 Uhr geht es los – gemeinsam rollen ca. 75 Bikepacker (immerhin sind auch ein paar Mädchen dabei) durch das großteils noch schlafende Budapest. Irgendwie finde ich noch keinen Rhythmus, ich kurble also so vor mich hin, alleine, in einer kleinen Gruppe, wieder alleine. So geht es dahin. Mittagspause in Visegrad an der Donau – die nächste Fähre geht erst in einer Stunde. Dann weiter, weiter, weiter bis bei km 100 Checkpoint 1 erreicht ist: Nagy-Hideg-hegy. Stempel in die Brevet-Karte, Suppe essen, Flaschen füllen und weiter. Den Bergfaktor 19 spüre ich, aber jetzt geht es (fast) nur mehr bergab. Es wäre auch Zeit für eine Quartiersuche. In Bánk wäre ein Campingplatz am Badesee, dort ist aber (in den Hütten) alles voll (ich habe ja kein Zelt mit) und außerdem Party, Party, Party. Also fahre ich noch ein Stück und rolle meinen Schlafsack auf einem abgeerntetem Feld neben einem Strohballen aus – auch dort höre ich noch die Party…
Sind doch 145 km und ein paar Höhenmeter geworden sagt Strava.
18.08. – Tag 2:
Gut geschlafen. Kaltes Frühstück. Aufsatteln. In einer kleinen Kneipe ein Kaffee. Es ist nicht mehr weit bis zum Checkpoint 2: Sasbérci kilátó. Dort oben gibts ein 2. Frühstück – ein Spiess zum selber grillen, 2 Cola, 2 Sportriegel. Flaschen füllen, wieder runter und weiter. Irgendwann durch den Gatsch ca. 2 km bergauf und bergauf und bergauf und dann das:
Gewissenhaft und ordentlich versperrt. Keine Chance auf drüber, drunter oder daneben vorbei. Also wieder runter, Karte studieren und daneben einen Wanderweg hoch. Irgendwann meldet sich mein Handy: „… Gib mir Energie …“ – Akku fast leer. Kein Problem. Powerbank raus, richtiges Kabel auch, anstecken, warten auf das „Oink„. Hoppla, kein „Oink“ – mein Handy und meine Powerbank vertragen sich nicht!?
Daher gibts/gab es auch keinen Podcast – Sorry!
Na ja, muss auch so gehen, eine Steckdose (und eine Dusche und ein warmes Essen) wäre nicht schlecht, Checkpoint 3 ist nicht mehr ganz soooo weit (25 km, dafür fast nur mehr bergauf). Dann beginnt die Rechnerei: Wie schnell muss ich fahren, um den Checkpoint (nur bis 20:00 Uhr besetzt) noch rechtzeitig zu erreichen? Ein Riegel, ein Gel, die müden Beine nochmal quälen und um 19:55 Uhr wird meine Karte am Checkpoint 3 gestempelt…
Blöd nur, dass ich mein Handy nicht benutzen kann, meine Ungarischkenntnisse null sind, mein Notitzzettel nicht ausgefüllt ist usw. usf. Ich sehe also nur, was ich sehe: Eine 4-Stern-Hütte und einen Zeltplatz – mein eigentlich eingeplantes Tagesziel bleibt mir also verborgen…
Es dämmert, es ist frisch hier oben. Also aufs Rad, runter und ein Quartier suchen. Beim letzten Tageslicht erreiche ich nach knapp 120 km und 2.270 hm einen Wanderer-Parkplatz mit einem Shelter. Abendessen aus der Dose, Isomatte, Schlafsack – ihr kennt das Spiel…
19.08. – Tag 3:
Ich bin schon in der Früh müde. Das wird nicht mein Tag. Zuerst geht es lange bergab, trotzdem tun mir die Beine weh. Beim Checkpoint gab es noch eine Warnung:
„… zwischen Checkpoint 3 und Checkpoint 4 gibt es fast keine Möglichkeit, Wasser an den blauen Hydranten oder sonstwo nachzufüllen und der 20. ist Nationalfeiertag – da haben keine Supermärkte offen! …“
Ich bin sowieso schon auf einen Ruhetag eingestellt, biege irgendwann vom Track ab und fahre nach Eger. Booking.com gibt nix her, 3 Hotels/Pensionen an denen ich vorbeifahre haben geschlossen. Na gut, dann nicht. Ich beschließe, doch bis Checkpoint 4 zu fahren, kauf noch ein und weiter. Und mein Vorderrad verliert Luft. Super. 2 winzige Dornen stecken im Mantel – soviel zum Thema Tubeless. Also Schlauch eingezogen und weitergekurbelt. Am Checkpoint 4 sind wieder ein paar Mitfahrer versammelt, einige fahren weiter, einige nächtigen hier (ich auch). Warmes essen, ein paar Drinks, eine heisse Dusche, ein richtiges Bett und eine Steckdose machen mich glücklich…
113,92 km, 1.700 hm sagt Strava…
Keine Fotos, da Handyakku leer und zu faul, den Akku an der GoPro zu wechseln…
20.08. – Tag 4:
Bergab, bergab, bergab, leichte Wellen – alles auf asphaltierten Strassen. Es ist ordentlich warm. Zum Glück gibts genug blaue Hydranten und auch einige kleine Geschäfte haben offen. Irgendwann sehe ich schon aus der Ferne den Checkpoint 5: Regéci Vár. Das wird doch auch noch zu schaffen sein. Die letzten Kilometer hinauf sind allerdings (für mich zumindest – ich glaube aber, für alle anderen auch) Schiebestrecke, weil:
Aber irgendwann bin ich oben. Stempel, Cola, Kaffee, Kuchen. Ein Blick auf die Uhr. Eigentlich geht sich das Finish auch noch aus, es sind nur mehr 40 km – alles bergab – bis nach Tokaj. Also los. Es dämmert trotzdem schon. Kurzer Stopp. Rücklicht und Vorderlicht aufstecken und einschalten. Kurz nach der Ortstafel Tokaj ist allerdings der Akku der Frontleuchte leer. Ich bin aber zu faul, jetzt noch zum Nabendynamo zu verkabeln und ein paar Minuten später bin ich im Ziel. Gestempelt wird um 20:30 Uhr nach 203,36 km und 1.580 hm!
Einige sitzen schon da, ein paar kommen noch ein paar Minuten nach mir. Essen, trinken, duschen, trinken, tratschen…
21.08. – Tag 05:
Das Bett war weich, das Zimmer muffig – aber die Dusche liefert heisses Waser und die Steckdose ordentlich Strom, was will ich mehr. Ich überlege, wie ich heimkomme. Zug bis? Rad? Ich nehme die Variante Rad, denn ich bin ja mit dem Reiserad unterwegs!
Für die knapp 500 km von Tokaj bis Oslip bin ich allerdings noch 3 Tage unterwegs – aber das ist eine andere Geschichte…
Hier gibt es noch einige Fotos vom Veranstalter (ich bin auch ein paar Mal zu sehen)…
Resümee:
Wunderbare Veranstaltung, tadellos organisiert, schöne Strecke durch (viel) Wald, Wiesen, Felder. Versorgungs- und Unterkunfts-Möglichkeiten wie bei solchen Geschichten üblich.
Über Ausrüstung, was brauchst du unbedingt, was nicht, unnötiges Klump etc. gibts sicher heuer noch irgendwann einen Artikel…
Nachtrag (zum Racktime-Taschensystem):
Wie hier beschrieben gab es leichte Probleme, die sich eher noch verschlimmerten. Gehalten hat die Tasche dank „SNAPIT„-System bombenfest am Gepäckträger, aber trotz Spanngurt etc. verschob sich das ganze ordentlich. Auch löste sich eine Seitentasche (die Naht ging auf) und musste mit allerlei Tricks befestigt werden.
Meine Meinung (nach ein paar Test-Reisen): Günstiges und tadelloses Taschensystem mit viel Platz für 3-4-tägige Radreisen auf „normalen“ Straßen, jedoch nicht geeignet für Bikepacking-Touren in ruppigem Gelände!
Nachtrag 2:
Für heuer wars das mit den offiziellen/organisierten Bikepacking-Geschichten – ein paar selbstorganisierte Kurzreisen (2-4 Tage) wird es sicher noch geben und die Planung für 2020 geht auch schon langsam los.
Wer hat (schon) Tipps für 2020 – wo/was soll/muss man fahren?
In Deutschland, Italien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien… – Streckenlänge zwischen 500 und 2.000 km (oder auch mehr)?
Ich warte auf eure Kommentare!
Nachtrag 3 – vom 20.10.2019:
Über die Erwähnung in einem Artikel auf der Bikepacking.com-Seite freue ich mich besonders!
Hinweis: |
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geile schilderung. Was ich nicht verstehe: was sprach gegen eine gemütliche **** Nächtigung? oder ist das ein „no go“ unter den bikepackern?
bin schon gespannt welche ideen für nächstes jahr gepostet werden. ich lese mit.
kein no-go, aber meine finanzen sagen immer nein, wenn ein zimmer über 100,00 pro nacht kostet…
es hätte eh was günstigeres auch gegeben, aber mit leerem handy (und wenns schon gleich wirklich finster wird) bist ja aufgeschmissen heutzutage.
es war mir eine lehre!